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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Erbrecht
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Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)

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Rentner in Italien doch steuerpflichtig!!!!

Lange galt die entscheidung des BFH, dass Renten aus der deutschen Sozialversicherung bei einem in Italien lebenden Rentner, nicht der duetschen Besteuerung unterliegen. Diese Ansicht wurde nun fallengelassen. Renten aus der deutschen Sozialversicherung (bspw. Deutsche Rentenversicherung, Knappschaft, Versorgungswerke) sind nun in D steuerpflichtig, sofern der Empfänger Deutscher Staatsangehöriger ist und nicht zugleich die italienische Staatsangehörigkeit besitzt.
Rentner aus Italien müssen nun also dringend die unbeschränkte Steuerpflicht prüfen.
Schreiben Sie uns an haberbosch@rentnerbesteuerung.eu oder buchen Sie Ihre telefonische Beratung direkt unter dem folgenden Link : Telefonberatung Rentner in Italien

Hier das Urteil im Volltext:

Urteil vom 17. August 2022, I R 17/19
Sozialversicherungsrente und Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989

BFH I. Senat

DBA ITA 1989 Art 19 Abs 4, DBA ITA 1989 Art 3 Abs 2, EStG § 1 Abs 4, EStG § 1 Abs 4, EStG § 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst aa S 1, EStG § 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst aa S 1, EStG § 49 Abs 1 Nr 7, EStG § 49 Abs 1 Nr 7, GVG § 21e Abs 3 S 1, FGO § 4, SGB 6 § 125, SGB 6 §§ 125ff, SGB 6 § 153 Abs 2, SGB 6 § 168, SGB 6 §§ 168ff, GG Art 3 Abs 1, EStG VZ 2005 , EStG VZ 2006 , EStG VZ 2007 , EStG VZ 2008 , EStG VZ 2009 , EStG VZ 2010 , EStG VZ 2011 , EStG VZ 2012 , EStG VZ 2013

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern , 22. Januar 2019, Az: 1 K 293/15

Leitsätze
Nach Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 können Ruhegehälter und alle anderen wiederkehrenden oder einmaligen Bezüge, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung eines Vertragsstaates von diesem Staat, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer ihrer juristischen Personen des öffentlichen Rechts gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden, wenn der Empfänger Staatsangehöriger dieses Staates ist, ohne Staatsangehöriger des anderen Vertragsstaates zu sein. Eine darauf beruhende Zuordnung des Besteuerungsrechts für die Leibrentenzahlungen der DRVB (Sozialversicherungsrente) an einen in Italien ansässigen deutschen Staatsangehörigen an den „Kassenstaat“ Deutschland ist (insoweit abweichend zum Senatsbeschluss vom 25.07.2011 – I B 37/11, BFH/NV 2011, 1879) nicht rechtsfehlerhaft.

Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22.01.2019 – 1 K 293/15 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand
A.

Streitig ist, ob eine an einen deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Italien gezahlte Altersversorgung (Sozialversicherungsleibrente) der deutschen Einkommensbesteuerung unterliegt.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der nicht im öffentlichen Dienst tätig war, ist deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Italien. Er bezieht seit dem 01.08.2003 eine Leibrente i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Einkommensteuergesetzes in der in den Jahren 2005 bis 2013 (Streitjahre) geltenden Fassung (EStG) von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRVB) in folgender Höhe (in €):

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

In den Jahren 2005 und 2006 bezog der Kläger auch eine monatliche Rente der schweizerischen Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung in Höhe von … CHF. Ab dem 20.09.2007 nahm er unter Beibehaltung seines Wohnsitzes (innerhalb eines 20 km-Bereiches zur italienischen Grenze) eine selbständige Tätigkeit in der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Schweiz) auf. Als sog. Grenzgänger war er mit seinem Erwerbseinkommen in der Schweiz (Arbeitsort) steuerpflichtig (Vereinbarung zwischen der Schweiz und Italien vom 03.10.1974 über die Besteuerung der Grenzgänger und den finanziellen Ausgleich zugunsten der italienischen Grenzgemeinden), wobei die Schweiz das ausschließliche Recht auf Besteuerung hatte (in Italien war keine Besteuerung vorgesehen, allerdings erhielten die italienischen Wohnsitzgemeinden der Grenzgänger eine Ausgleichszahlung in Höhe eines Teilbetrages der eingenommenen Quellensteuern von den betroffenen schweizerischen Kantonen [Bericht des schweizerischen Bundesrates vom 16.06.2011]).

Einkommensteuererklärungen reichte der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) nicht ein. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) veranlagte den Kläger mit der aus Deutschland bezogenen Rente nach Maßgabe einer beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) und setzte als Einkommensteuern fest (€):

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Die dagegen erhobenen Einsprüche blieben erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 07.07.2015); das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern gab der Klage unter Aufhebung der Bescheide statt (Urteil vom 22.01.2019 – 1 K 293/15, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2019, 1110).

Das FA rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der im Revisionsverfahren nicht i.S. des § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vertretene Kläger hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe
B.

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das angefochtene Urteil ist zwar nicht verfahrensfehlerhaft ergangen; allerdings unterliegt die an den Kläger gezahlte Altersversorgung (Sozialversicherungsleibrente) der deutschen Einkommensbesteuerung.

I. Ein Verfahrensfehler i.S. des § 119 Nr. 1 FGO liegt entgegen der Ansicht der Revision nicht vor; die Besetzung des Gerichts entsprach den gesetzlichen Vorgaben.

1. Dem FA ist allerdings darin zu folgen, dass im Entscheidungszeitpunkt des angefochtenen Urteils (22.01.2019) nach den Maßgaben des Beschlusses des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.03.2019 – V B 34/17 (BFHE 263, 317, BStBl II 2019, 489) in der Person des Präsidenten des Gerichts ein Besetzungsmangel i.S. von § 119 Nr. 1 FGO vorlag, da der in diesem Zeitpunkt geltende Geschäftsverteilungsplan des Gerichts (§ 4 FGO i.V.m. §§ 21e bis g des Gerichtsverfassungsgesetzes ‑‑GVG‑‑) für das Geschäftsjahr 2019, der konstitutiv auch die Besetzung für bereits anhängige Sachen geregelt hat (s. allgemein z.B. BFH-Beschluss vom 11.07.2006 – IX B 179/05, BFH/NV 2006, 1873; Brandis in Tipke/Kruse, § 4 FGO Rz 17, m.w.N.), für den Präsidenten, der zugleich Gerichtspräsident in einer anderen Gerichtsbarkeit war, nicht erkennen ließ, mit welchem Bruchteil seiner Arbeitskraft er seinem Senat im FG (2. Senat) zugewiesen war. Die im Senatsbeschluss vom 08.09.2020 – I B 53/19 (BFH/NV 2021, 345) als entscheidungserheblich erkannte (ergänzende) Erklärung des Präsidenten vom 15.04.2019 zum Geschäftsverteilungsplan des Gerichts (Datum der in diesem Verfahren angefochtenen Entscheidung: 22.08.2019) lag am 22.01.2019 noch nicht vor.

2. Die im hier zu entscheidenden Revisionsverfahren angefochtene Entscheidung des Gerichts ist aber nicht unter Mitwirkung des Präsidenten des Gerichts ergangen; vielmehr war der dortige 1. Senat zur Entscheidung berufen, wobei eine sog. Vertreterbesetzung (s. allgemein Brandis in Tipke/Kruse, § 4 FGO Rz 22) vorlag. Für das am Sitzungstag erkrankte Mitglied des 1. Senats lag ein Vertretungsfall vor; zur Vertretung waren nach dem Geschäftsverteilungsplan Mitglieder des 3. Senats des Gerichts berufen, wobei diese aber nach dem Inhalt eines Vermerks des Präsidenten an der Wahrnehmung dieser Vertretung verhindert waren, so dass die Vertretung aus dem 2. Senat erfolgen musste. Dabei begann die Vertretungslinie der Mitglieder des 2. Senats nach dem Geschäftsverteilungsplan „mit dem an 2. Stelle im Besetzungsplan genannten Mitglied des vertretenen Senats“, damit der Vertreterin des Gerichtspräsidenten. Auf dieser Grundlage wurde die Besetzung des 1. Senats am Sitzungstag durch die Richterin am Finanzgericht … als Vertreterin komplettiert.

3. Das FA sieht einen Besetzungsmangel darin, dass „die ständige Vertreterin eines Doppelpräsidenten“ durch die gegebene Konstellation (im Sinne eines zahlenmäßig häufigen Vertretungseinsatzes) einer Mehrbelastung ausgesetzt sei; die nach ständiger Rechtsprechung „unzulässige Dauervertretung“ eines Senatsvorsitzenden (Hinweis auf das Senatsurteil vom 07.12.1988 – I R 15/85, BFHE 155, 470, BStBl II 1989, 424) wirke sich „nicht nur auf die Person des Vertretenen aus, der seine richtungsweisende Funktion im Senat nicht länger ausüben kann, sondern auch auf die seiner Vertreterin, die zum Zeitpunkt der Urteilsfindung durch eine bereits mehrere Jahre andauernde Vertretungssituation im 2. Senat überlastet war“. Eine dauernde Verhinderung auf Grund „Überlastung“ der Vertreterin hätte aber eine Anpassung der Geschäftsverteilung zur Folge haben müssen.

4. Dieser Rechtsauffassung ist nicht zu folgen. Zunächst ist nicht deutlich, dass eine „Überlastung“ der mitwirkenden Berichterstatterin als Vertreterin (im eigenen Dezernat und/oder durch [zusätzliche] Mitwirkung als nicht selbst verhinderte Vertreterin) ‑‑etwa ausweislich einer „Überlastungsanzeige“ der Richterin‑‑ tatsächlich vorgelegen hat; das FA hat eine solche Situation auch „nur“ unterstellt, ohne eine konkrete Zahl, z.B. der Mitwirkungseinsätze als Vertreterin, zu benennen. Wenn eine „Überlastung“ tatsächlich vorgelegen haben sollte, hat das Präsidium des Gerichts darauf aber ‑‑auch wenn § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG (i.V.m. § 4 FGO) insoweit eine Anpassung der Geschäftsverteilung im laufenden Geschäftsjahr ausdrücklich zulässt („dürfen“)‑‑ nicht zwingend durch eine Änderung der Geschäftsverteilung zu reagieren, um einen Besetzungsmangel zu vermeiden. Auch der „überlastete Richter“ ist ‑‑solange der geltende Geschäftsverteilungsplan seine Mitwirkung im konkreten Fall vorsieht‑‑ „gesetzlicher Richter“. Der Gesichtspunkt der „unzulässigen Dauervertretung“ bezieht sich auf die Mitwirkung des Vertretenen, nicht auf die Mitwirkung des für den konkreten Fall geschäftsplanmäßig berufenen Vertreters.

II. Das FG hat im angefochtenen Urteil rechtsfehlerhaft dahin erkannt, dass die an den Kläger gezahlte Altersversorgung (Sozialversicherungsleibrente) nicht der deutschen Einkommensbesteuerung unterliegt. Das führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Klageabweisung.

1. Die Voraussetzungen einer beschränkten Steuerpflicht des Klägers nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 EStG sind erfüllt. Denn der Kläger hatte ‑‑ohne inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt‑‑ inländische Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG erzielt, indem er sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG (Leibrente aus einer gesetzlichen Rentenversicherung) bezogen hat.

2. Der inländischen Besteuerung steht das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 18.10.1989 (BGBl II 1990, 743, BStBl I 1990, 397) ‑‑DBA-Italien 1989‑‑ nicht entgegen.

a) Dass das DBA-Italien 1989 nach Maßgabe seines persönlichen Geltungsbereichs (Art. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 DBA-Italien 1989) und seines sachlichen Geltungsbereichs (Art. 2 ff. DBA-Italien 1989) mit Blick auf den Bezug von Einkünften aus einer inländischen Quelle ‑‑und dabei unabhängig von dem Bezug anderer Einkünfte aus einem Drittstaat (hier: Schweiz)‑‑ im Streitfall anwendbar ist, wurde im angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei entschieden; da diese Frage im Revisionsverfahren nicht mehr umstritten ist, sieht der Senat von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang ab.

b) Nach Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 können Ruhegehälter und alle anderen wiederkehrenden oder einmaligen Bezüge, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung eines Vertragsstaates von diesem Staat, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer ihrer juristischen Personen des öffentlichen Rechts gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden, wenn der Empfänger Staatsangehöriger dieses Staates ist, ohne Staatsangehöriger des anderen Vertragsstaates zu sein. Eine darauf beruhende Zuordnung des Besteuerungsrechts für die Leibrentenzahlungen der DRVB an den „Kassenstaat“ Deutschland durch das FA ist nicht rechtsfehlerhaft.

aa) Das sog. Kassenstaatsprinzip (Art. 19 Abs. 1, 2 DBA-Italien 1989), nach dem insbesondere Arbeitsentgelte, die aus öffentlichen Kassen an eigene Staatsangehörige gezahlt werden, dem Kassenstaat zur ausschließlichen Besteuerung vorbehalten sind, beruht auf dem Gedanken, die Vertragsstaaten bei der Ausübung ihrer öffentlichen Aufgaben von einer Behinderung durch Besteuerungsrechte des jeweils anderen Staates freizuhalten (z.B. Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer, MA Art. 19 Rz 1). Gegenstand des Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 ist es, dieses Prinzip auf Ruhegehälter und alle anderen wiederkehrenden oder einmaligen Bezüge auszudehnen, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung von einem Vertragsstaat, einem seiner Länder, ihren Gebietskörperschaften oder von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gezahlt werden, wenn der Zahlungsempfänger Staatsangehöriger des Kassenstaates und nicht zugleich Staatsangehöriger des anderen Vertragsstaates ist (z.B. BTDrucks 11/6532, S. 34 – sog. Denkschrift zum Abkommen [dort zu Art. 19]).

bb) Zu dem Tatbestandsmerkmal der „Bezüge …, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung … gezahlt“ werden, hat der erkennende Senat im Beschluss vom 25.07.2011 – I B 37/11 (BFH/NV 2011, 1879) auf der Grundlage einer „vorläufigen rechtlichen Einschätzung“ (Rechtsprüfungsmaßstab des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO) zu einer Rente aus der italienischen Sozialversicherung (des zentralen Gesamtsozialversicherungsträgers Istituto Nazionale della Previdenza Sociale ‑‑INPS‑‑, der u.a. für die gesetzliche Rentenversicherung in Italien zuständig ist) Folgendes ausgeführt: „… die in Rede stehenden Renten werden nicht auf Grund der italienischen Sozialversicherungsgesetzgebung ‚von‘ Italien gezahlt, sondern allenfalls ‚durch‘ Italien oder einer dessen öffentlichen Institutionen. Der präpositionelle Terminus ‚von‘ verdeutlicht in hinlänglicher Weise, dass die betreffenden Leistungen wirtschaftlich von dem jeweiligen Zahlenden herrühren müssen; ausschlaggebend sind danach nicht (nur) der bloße Zahlungsvorgang und die Zahlstelle, sondern der wirtschaftliche Zahlungsgrund. Sozialversicherungsrenten wie hier jene der INPS werden aber wirtschaftlich aus geleisteten Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber während der Zeit der aktiven Arbeitsleistung ‑‑also nicht als staatliche Leistungen‑‑ aufgebracht, und so gesehen unterwirft die italienische Finanzverwaltung Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 zutreffend lediglich Staatspensionen und Kriegsrenten der Besteuerung, nicht aber allgemeine Sozialversicherungsrenten. In Einklang mit dem Abkommenstext ergibt sich auf diese Weise normspezifisch ein entscheidungsharmonisches Abkommensverständnis …“.

Auf dieser Grundlage wäre es für Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 nicht tatbestandsgemäß, wenn die zahlende Stelle „als reine Zahlstelle“ fungiert und die Zahlungen (wie etwa bei beitragsfinanzierten Ruhegeldern/Altersrenten) wirtschaftlich vorwiegend aus geleisteten Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber während der Zeit der aktiven Arbeitsleistung und daher nicht von ihr selbst herrühren (zustimmend FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.08.2021 – 4 K 4109/20, nicht veröffentlicht; s.a. ‑‑eher referierend als zustimmend‑‑ Weggenmann in Wassermeyer, Italien Art. 19 Rz 18; wohl auch Staccioli in Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, DBA, DBA-Italien Art. 19 Rz 39; Hennigfeld, EFG 2019, 1113; Falk, EFG 2022, 385; a.A. FG München, Urteil vom 24.09.2021 – 8 K 1118/19, EFG 2022, 381, Rz 38; Kramer, Internationales Steuerrecht ‑‑IStR‑‑ 2018, 457, 458).

Hingegen wird in der Literatur auch vertreten, tatbestandsgemäß („Bezüge …, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung … gezahlt“ werden) seien ‑‑im Unterschied zu dem in anderen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Zusammenhang mit dem Vorhaben einer Ausweitung des Kassenstaatsprinzips herangezogenen Merkmal „Bezüge … auf Grund der Sozialgesetzgebung“ (z.B. Art. 19 Abs. 3 DBA-Belgien) oder „öffentliche Sozialleistungen“ (s. Dürrschmidt in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., Art. 19 Rz 76)‑‑ nur „Versicherungsleistungen, auf die durch Beitragsleistung ein Anspruch erworben wurde“ (Lampert in Schönfeld/Ditz, DBA, 2. Aufl., Art. 19 Rz 112 und 116), was allerdings eine Sozialversicherungsrente einschließen würde (zur begrifflichen Qualifizierung einer Sozialversicherungsrente als Teilmenge von „Bezügen aufgrund der Sozialgesetzgebung“ z.B. Malinski in Wassermeyer, Belgien Art. 19 Rz 34; Lampert in Schönfeld/Ditz, a.a.O., Art. 19 Rz 78).

cc) Der Senat hält an der Rechtsauffassung in dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2011, 1879 nach nochmaliger (und dem Maß eines Hauptsacheverfahrens entsprechenden) Rechtsprüfung nicht fest.

aaa) Der Wortlaut der Regelung betrifft „… wiederkehrende Bezüge, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung eines Vertragsstaats“ gezahlt werden. In der Denkschrift zum Abkommen wird dazu ausgeführt, Abs. 4 regele entsprechend der „neuere(n) deutsche(n) Verwaltungspraxis“ zum Kassenstaatsprinzip „die Besteuerung von Sozialversicherungsrenten“ bei Zahlungen an Staatsangehörige dieses Staates mit Ansässigkeit im anderen Staat; in diesem Zusammenhang wird dort auch ‑‑zur Abmilderung von Härten bei einer Besteuerung im Ansässigkeitsstaat (mit Blick u.a. auf die deutsche Ertragsanteilbesteuerung)‑‑ auf eine gegenseitige Begrenzungsbestimmung in Nr. 14 zu Art. 19 des Protokolls verwiesen.

bbb) Nach der Auslegungsregelung des Art. 3 Abs. 2 DBA-Italien 1989 ist dem Tatbestandsmerkmal „Sozialversicherungsgesetzgebung“ die Bedeutung beizumessen, die ihm nach dem Recht des Anwendungsstaates zukommt. Insoweit sind von Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 aus der Sicht Deutschlands alle Leistungen erfasst, die auf der Grundlage einer Regelung im deutschen Sozialversicherungsrecht (Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ‑‑SGB VI‑‑) an den Empfänger erbracht werden (hier: Zahlung der Regelaltersrente [§ 35 SGB VI] durch die DRVB als „einer ihrer juristischen Personen des öffentlichen Rechts“ [§§ 125 ff. SGB VI] auf der Grundlage der geleisteten Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber während der Zeit der aktiven Arbeitsleistung [§§ 125 ff., 168 ff. SGB VI]).

ccc) Indem der Senat im Beschluss in BFH/NV 2011, 1879 wesentlich auf den „wirtschaftlichen Zahlungsgrund“ (wirtschaftliche Belastung der zahlenden „öffentlichen Hand“) abgestellt hat, ist dies durch die rechtfertigende Begründung des allgemeinen Kassenstaatsprinzips veranlasst und war im Übrigen „motiviert“ durch das Bestreben, ein „entscheidungsharmonisches Abkommensverständnis“ mit Blick auf die nationale Rechtslage in Italien (keine Besteuerung der Sozialversicherungsrente des beschränkt steuerpflichtigen Leistungsempfängers wegen der Zuordnung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit [Art. 18 DBA-Italien 1989]) zu erreichen. Allerdings war den Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Zuordnungsproblematik auf der Grundlage der damaligen allgemeinen Diskussion um das Besteuerungsrecht bei Ruhegehältern und Sozialversicherungsrenten (s. etwa zur Genese des zeitlich früher vereinbarten DBA-Kanada 1981 die Analyse von Grotherr, IStR 2021, 955, 957 f.; derselbe, Internationale Wirtschaftsbriefe ‑‑IWB‑‑ 2022, 520, 528 f.), die sehr plakativ in Ziff. 2 des Musterkommentars (MK) zum Musterabkommen der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-Musterabkommen ‑‑OECD-MustAbk‑‑) 1992 mit der Empfehlung zum Ausdruck kam, Länder, die Ruhegehälter, die auf Grund eines öffentlichen Sozialversicherungssystems gezahlt werden, als den staatlichen Ruhegehältern ähnlich ansehen, könnten Art. 18 des jeweiligen Länderabkommens etwa dahin ergänzen, „Ruhegehälter und sonstige Zahlungen, die aufgrund der Sozialgesetzgebung eines Vertragsstaates geleistet werden, (könnten ungeachtet des Absatzes 1) in diesem Staat besteuert werden“, durchaus vor Augen (s.a. Grotherr, IWB 2022, 520, 533; s. heute: Ziff. 27 des MK zu Art. 18 OECD-MustAbk).

Wenn aber in Ansehung dieser Problematik und ungeachtet der Frage, ob Sozialversicherungsrenten ohne ausdrückliche Benennung bereits als Ruhegehalt für frühere unselbständige Arbeit i.S. Art. 18 OECD-MustAbk einzuordnen sein könnten (s. für Abkommen, die vor der Änderung des MK in 2005 abgeschlossen wurden, ablehnend Senatsbeschluss vom 08.12.2010 – I R 92/09, BFHE 232, 137, BStBl II 2011, 488; s.a. Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer, MA Art. 18 Rz 18; Drüen/Schwenke, ebenda, Art. 18 Rz 55 [zu Art. 17 Abs. 1 der deutschen sog. Verhandlungsgrundlage]), die Vertragsparteien des DBA-Italien 1989 „wiederkehrende … Bezüge, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung … gezahlt werden“ in Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 ausdrücklich anführen, liegt darin eine konkrete Regelung für alle Bezüge, die ihre Rechtsgrundlage im jeweiligen nationalen Sozialversicherungsgesetz haben (zum Regelungsbedarf betreffend „Sozialversicherungsrenten“ im Sinne einer ausdrücklichen Benennung allgemein z.B. Wassermeyer/Drüen, ebenda; Förster in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Festgabe zum 75. Geburtstag von Franz Wassermeyer, 2015, Nr. 54 Rz 3, 7 a.E.). Die Vertragsparteien haben auf dieser Grundlage für diese Bezüge eine konkrete Rechtsfolgenanordnung der Quellenstaatsbesteuerung getroffen und bewirken ‑‑durch die Ausgestaltung als ausschließliches Besteuerungsrecht im Quellenstaat‑‑ die Steuerbefreiung im Ansässigkeitsstaat (s. z.B. Kramer, IStR 2018, 457, 458).

Eine Differenzierungsnotwendigkeit auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Belastung des zahlenden Rechtsträgers lässt sich zwar ohne Weiteres dem Rechtsbegriff der „Ruhegehälter“ (Art. 19 Abs. 4 Variante 1 DBA-Italien 1989) zuweisen (s.a. allgemein Martini in Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, a.a.O., Art. 19 OECD-MA Rz 18; derselbe, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2018, 697, 698), sie lässt sich aber nicht im Sinne eines Erfordernisses einer allgemeinen (und ausschließlichen) Steuerfinanzierung dem Verweis auf „Sozialversicherungsgesetzgebung“ als dem Rechtsgrund der Zahlungen entnehmen. Vielmehr sind diesem Begriff nach innerstaatlichem Rechtsverständnis auch solche Leistungen zuzuordnen, die unabhängig von den Zuschüssen in die gesetzliche Rentenversicherung aus Steuermitteln (s. § 153 Abs. 2 SGB VI) jedenfalls teilweise durch den Leistungsempfänger der Sozialversicherungsrente „eigenfinanziert“ sind.

ddd) Zu bedenken ist schließlich, dass Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 bei Ausklammerung der deutschen Sozialversicherungsrenten aus dessen Anwendungsbereich ‑‑jedenfalls für Leistungen aus Deutschland‑‑ weitgehend leerliefe (vgl. Staccioli in Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, a.a.O., DBA-Italien Art. 19 Rz 39 – „stark eingegrenzter Tatbestand“). Die auf dem Alimentationsprinzip und nicht auf den Sozialversicherungsgesetzen beruhenden deutschen Beamtenpensionen fallen nicht unter Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 (a.A. offenbar Weggenmann in Wassermeyer, Italien Art. 19 Rz 18), sondern unter Abs. 2 der Vorschrift.

eee) Dieser eindeutigen Auslegung steht ein Grundsatz der Entscheidungsharmonie (s. allgemein z.B. Senatsurteil vom 02.09.2009 – I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; s.a. Lehner in Vogel/Lehner, a.a.O., Grundlagen Rz 115 ff.; Schönfeld/Häck in Schönfeld/Ditz, a.a.O., Systematik Rz 109), der im Senatsbeschluss in BFH/NV 2011, 1879 (dort Rz 12) auf den Qualifikationskonflikt (Umfang der nationalen Besteuerung in Italien: keine Besteuerung der Sozialversicherungsrente des beschränkt steuerpflichtigen Leistungsempfängers wegen der Zuordnung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit [Art. 18 DBA-Italien 1989]) bezogen war, nicht entgegen.

dd) Das FG hat im Übrigen rechtsfehlerfrei dahin erkannt, dass das vom Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren gerügte Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit dem sog. Kassenstaatsprinzip verfassungs- und unionsrechtskonform ist. Soweit das Kassenstaatsprinzip im Einzelfall an die Staatsangehörigkeit anknüpft, kann das zwar zu Nachteilen bei der steuerlichen Behandlung führen. Diese Nachteile sind aber nicht grundfreiheitswidrig, da die EU-Mitgliedstaaten wegen fehlender unionsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen im Ertragsteuerrecht befugt sind, die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit (auch bei „im öffentlichen Sektor“ erzielten Einkünften) untereinander festzulegen, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden (z.B. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Gilly vom 12.05.1998 – C-336/96, EU:C:1998:221, Slg. 1998, I-2793). Derselbe Grund rechtfertigt eine an die Staatsangehörigkeit anknüpfende unterschiedliche Behandlung i.S. des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.